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Messerabwehr – Hört auf mit dem Schwachsinn!

 

In den letzten Monaten vergeht kaum eine Woche, ohne dass es zu einer Messerstecherei in Hamburgs Straßen kommt. Aus der Perspektive eines Kampfsportlehrers und Ausbilders für Selbstverteidigung hat man einen anderen Blick als die reine Sucht nach der Sensation. Vielmehr betrachtet man den Tathergang vom Standpunkt der Vermeidbarkeit und der Möglichkeit, sinnvoll, umsichtig und im Sinne des Eigenschutzes zu handeln. Da sich jedoch in den letzten Wochen die Nachrichten zu häufen scheinen und kaum ein Tag vergeht, ohne dass wieder über Gewalt mit Stich- oder Schusswaffen berichtet wird, ist das Thema sehr in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Solch ein Trend geht natürlich an Hamburgs Selbstverteidigungsszene nicht vorbei. Vermehrt melden sich via Youtube, Facebook oder einschlägigen Kursen sogenannte „Experten“ zu Wort, welche Abwehrtechniken oder Schutz bei Messerangriffen anbieten. Auffällig hierbei sind ganz besonders selbsternannte Meister, die noch nie in einem realistischen Szenario kämpfen mussten, geschweige denn jemals in ihrem Leben einen Vollkontaktkampf bestritten haben. Mit abenteuerlichen Techniken, filigranem Getänzel und selbstmörderischen Bewegungen wollen sie den Angreifer sicher bezwingen und in die Flucht schlagen.

 

Worum geht es bei einem Messerangriff?

Studiert man die Tathergänge von Messerangriffen in Hamburg, so sind mehrere Faktoren auffällig, welche man immer ins Selbstverteidigungstraining einfließen lassen sollte. Messer werden stets verdeckt getragen. Messerstecher oder spontane Angriffe mit dem Messer sind kaum vorhersehbar. Aus diesem Grund muss die Selbstverteidigung gegen Messer spontan und überraschend geübt werden. Ein wildes Fuchteln oder langes Herumschwingen mit einer Klinge gehört in das Reich des Films und hat lediglich in den verträumten Hirnen von Hollywood Choreographen Platz. Die Realität ist schnell, blutig, dreckig, hinterhältig, feige und gemein. Die Psychologie des Täters lehrt uns, dass er den Vorteil des Messers nicht preisgeben wird, sondern das Überraschungsmoment nutzt. Aber bei Jason Bourne klappt es doch auch…. Ich weiß, und Jason Bourne sieht auch sehr gut und cool dabei aus, nur leider ist das nicht die Wirklichkeit. In Echt dauert eine Attacke mit einem Messer unter drei Sekunden, mit dem Ergebnis von 12 Stichen im Brust- und Bauchbereich. Auswertungen von Gerichtsmedizinern ergeben mit einer überaus hohen Wahrscheinlichkeit immer dieses Bild.

 

Was muss ein realistisches Training der Messerverteidigung beinhalten?

Die besondere Härte und die Motivation des Angreifers, sein Opfer zu töten, bedeuten für mich, dass ich Selbstverteidigung mit extremem Druck trainieren muss. Das ist in Hamburg aber nur schwer zu finden. Warum liegt auf der Hand: es tut weh! Nicht ein bisschen, nicht nur ab und an, sondern sehr und überall. Jeder Trainer, der seinen Schülern Verteidigung gegen Stichwaffen versucht beizubringen und diesen Faktor außer Acht lässt, handelt in meinen Augen grob fahrlässig. Jene Trainer, die sich zu „Spezialisten“ küren und ihre Schüler nicht auf die Realität vorbereiten, handeln vorsätzlich und sollten sich auf Selbstverteidigung gegen Teddybären beschränken. Der Grund, weshalb derart viele Trainer davon absehen, ein echtes Training mit Interessenten durchzuführen, liegt daran, dass sie Angst haben, den Schüler zu vergraulen, oder weil sie es schlicht und ergreifend selbst nicht können. Weil sie nie gelernt haben, mit Druck umzugehen. Es ist eine Sache sich körperlich zu erschöpfen, Liegestütze, Seilspringen und dergleichen zu machen, bis der Körper versagt. Ich bewundere unsere Wettkämpfer für ihre eiserne Disziplin, das harte Training, Gewichtsanpassung und die innere Bestimmung. Doch unter extremen Schmerzen und am Rande der Aufgabe weiter zu machen, wenn es keinen Ringrichter gibt, ist eine völlig andere Sache. Jedes Mal kommt man innerlich an den Punkt der Frage „Warum mache ich das, warum tue ich mir das jede Woche an?“, die man jedoch andauernd mit der gleichen Antwort kontert. Man tut es für sich, und diejenigen, die einem am Herzen liegen.

 

Mythen der Messerabwehr:

  1. Blocken von Messern: Du siehst das Messer nicht kommen! Hör auf zu denken, dass Dir der Angreifer fünf Minuten vor dem Angriff eine SMS schreibt und Dich über seine Absichten informiert. Der Angriff kommt unerwartet, er kommt hinterrücks und er kommt so, dass Du ihn nicht sehen oder blocken kannst. Verschwende also nicht Jahre Deines Trainings auf Blocken und Umleiten von Messerangriffen und konzentriere Dich auf den Gegenangriff.
  2. Entwaffnen von Messern: Wer kennt es nicht, mein Trainingspartner macht einen Angriff mit dem Messer, dann lässt er den Arm stehen, so dass ich bequem blocken kann, meine Konter setzen und schlussendlich eine tolle und filigrane Entwaffnung ansetzen. Elfengleich nehme ich ihm das Messer weg und bin fortan Herr der Lage. So, jetzt darf der geneigte Leser aufhören zu lachen, dies ist keine Fantasie, das wird in vielen Schulen exakt so unterrichtet. Kurzum, Entwaffnungen funktionieren nicht! Einem Angreifer, der mit der schieren Todeswut auf sein Opfer einsticht, kann man kein Messer wegnehmen. Die einzige Entwaffnung, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit funktioniert, ist das harte Schlagen ins Gesicht. Ach ja, nur der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass der einzige, der ein Messer jemandem aus der Hand treten kann, Chuck Norris ist. Alle anderen unterlassen bitte den Versuch.
  3. Training mit Elfen: Komisch, im Training klappen aber diese ganzen Sachen immer, wieso sollen Techniken, welche man jahrelang geübt hat, auf der Straße nicht funktionieren? Schließlich hat man sehr viel Routine und Sicherheit in der Bewegung gewonnen. Im Training konditionieren sich die Trainingspartner gegenseitig. Trainiere ich also immer mit dem gleichen Menschen, in der gleichen Gruppe, so kann mich das nur schwer auf das Unvorhersehbare vorbereiten. Ganz besonders dann, wenn ich immer in meiner Komfortzone bleibe. Zusätzlich muss der Schmerz ins Training einfließen, denn Schmerz erzeugt Angst und wenn man mit dem Messer angegriffen wird, ist die Angst da. Aber das ist ja unangenehm und tut weh ….. Ja ich weiß, tut es. Eine Abkürzung gibt es leider nicht, da muss man durch, immer und immer wieder! Wenn Dir Dein Trainer diese Lektion vorenthält und Du Deinen Trainer auch noch nie so hart schlagen durftest, dass er am Boden lag, dann hat das einen Grund!

 

Liebe Trainer, werte Kollegen:

In den letzten zehn Jahren habe ich vieles an Selbstverteidigung in Hamburg gesehen. Mein Weg durch die Kampfkünste und Systeme wurde von großartigen Menschen gekreuzt, denen ich vieles zu verdanken habe. Dennoch macht es mich zuweilen sprachlos, wenn ich die Borniertheit und Rücksichtslosigkeit sehe, mit welcher mit den Schülern umgegangen wird. Ein schlechter Fußballtrainer ist zwar demotivierend aber in seiner Auswirkung nicht schlimmer als eine Niederlage für die Mannschaft. Selbstverteidigung zu unterrichten, besonders in lebensbedrohlichen Szenarien wie bei einem Messerangriff, bedarf der besonderen Verantwortung. Wer es nicht wirklich kann und weiß was er tut, soll es bitte einfach sein lassen. Der Schüler zahlt den Preis, am Ende vielleicht sogar mit seiner Gesundheit.

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