Der Verfall des schwarzen Gürtels
Ihm wohnt etwas Mystisches inne, eine besondere Form der Magie, welche das Begehren groß werden lässt. Viele Kampfsportschüler ganz gleich welcher Ausrichtung träumen davon, eines Tages einen schwarzen Gürtel tragen zu dürfen. Doch gemeinhin ist bekannt, dass der Weg dorthin mit viel Schweiß, persönlichen Entbehrungen und Hingabe an den Sport verknüpft ist. Nicht zuletzt darf man den Einsatz an Zeit nicht vergessen, welchen es zu erbringen gilt. Doch irgendwann, so die weitläufige Hoffnung, zahlt sich alles aus, und man wird nach einer harten und intensiven Prüfung alles Gelernten zum Schwarzgurt befördert. Soweit die Theorie, doch wie viele erfahrene Kampfsportler in Hamburg wissen, könnte die Realität nicht ferner von diesem Anspruch sein. Dies soll ein Artikel sein, welcher sich im Zentrum mit der Bedeutung des Schwarzgurts, seinem Ethos und seiner bitteren Entwicklung beschäftigt, die viele schlimme Konsequenzen auf unsere heutige Kampfsportszene hat.
Was erwartet man von einem Schwarzgurt-Träger?
Die nun folgenden Erwartungen spiegeln meine persönlichen Anforderungen an einen Träger eines Schwarzgurts wider und erheben somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder universelle Gültigkeit. Jeder Trainer hat seine persönlichen Schwerpunkte innerhalb der Ausbildung, wobei ich die Meinung vertrete, dass es im Kampfsport Fähigkeiten gibt, welche unabhängig vom individuellen Stil zum Einmaleins eines jeden Kampfsportlers mit Dan-Grad gehören sollten.
Technik: Jeder Schwarzgurt muss seine Technik können, verstehen und vermitteln können. Das gilt für den Judoka und seine Basiswürfe, für den Karateka und seine Schläge und Tritte genauso wie für den Krav Maga Ausbilder. Lege ich dieses Axiom meiner Betrachtung zugrunde, so wird es sehr eng für viele, wie ich gleich weiter ausführen werde.
Härte: Ein Schwarzgurt definiert sich meiner Meinung nach unter anderem wie folgt: Er gibt nicht auf, wenn andere das Handtuch werfen! Das Kyokushin Karate hat mich schnell gelehrt, was dies bedeutet, und wenn ich an meine Schwarzgurtprüfung zurückdenke, so muss ich sagen, dass dieses Erlebnis kaum an Härte zu überbieten war. Im Nachhinein hat mich das stolz gemacht. Stolz es geschafft zu haben, mich innerlich bezwungen zu haben, nicht liegen geblieben zu sein, obwohl mein Körper mich darum anbettelte aufzuhören. Ohne meine Trainer hätte ich dies bestimmt nicht geschafft, und unser Band könnte seitdem nicht enger sein. Die ultimative Erfahrung eines Kyokushin Schwarzgurts ist kein Maßstab, welchen man an alle anderen Kampfkünste anlegen muss, dennoch sollte sie ein Orientierungspunkt sein. Kann ich meine Technik wirklich und kann ich meinem Körper vertrauen? Im Kampfsport geht es um das Kämpfen und das Aushalten und Durchstehen gehören unweigerlich dazu.
Persönlichkeit: Der Träger eines Schwarzgurts muss ein Vorbild für andere Schüler sein. Der persönliche Maßstab an sich selbst ist demnach wesentlich höher anzusetzen als bei den Anfängern. Das fängt bei tadelloser Kleidung an, geht über die Sprache und natürlich über das Vertrauen, welches die Kampfsportschüler in ihn setzen.
Woher kommt der schwarze Gürtel?
Ein nicht zu vergessender Philosoph der Kampfkünste pflegte zu Lebzeiten zu sagen: „Gürtel haben eine Funktion, sie halten die Hosen oben.“ (Bruce Lee 1972) Ein sehr verkürzender Satz, aber kampfsportgeschichtlich überaus treffend. Der Gürtel gehört seit jeher zur Bekleidung des Menschen, ob in Kombination mit Jacke und Hose, oder aber über der Robe getragen. In den alten, fernöstlichen Zeiten war es Brauch, dass der Schüler um die Gunst des Lehrers warb. Sollte sein Flehen Gehör finden, sprich war der Lehrer gewillt den Schüler zu unterweisen, so bekam er anfänglich einen neuen Satz Kleidung, welchen er stets zu tragen hatte. Wer fortan glaubt, dass dies nur das Training umfasste, liegt weit ab von den tatsächlichen Gegebenheiten. Einfache Haus- und Gartenarbeiten gehörten ebenso zum Arbeitsplatz wie auch die sportliche Schinderei. Mit der Zeit wurde der Gürtel immer dreckiger und somit dunkler. Aus diesem Grund waren Schüler mit dunklem Gürtel schlichtweg länger dabei, als andere mit einem helleren Gürtel. Aus diesem simplen Umstand leitet sich die heutige Gürtelreihenfolge ab, wie wir sie gemeinhin in der Kampfsportwelt finden.
Schwarzer Gürtel ist nicht schwarzer Gürtel
Wenn man an einen Schwarzgurt denkt, so ist die erste Assoziation bei vielen ein Meister im Kampfsport. Jemand, der seine Kunst beherrscht und diese auch weitergeben kann. Aufgrund der hohen Attraktion des Status „Schwarzgurt“ haben viele Verbände dies als Geldquelle für sich entdeckt, da die Kommerzialisierung des Kampfsports nicht vor Hamburgs Toren haltmacht. Im Taekwondo zum Beispiel werden Schwarzgurte schon ab der Mittelstufe vergeben, Lehrergrade erkennt man am schwarzen Revers. Dies ist ein sehr plakatives Beispiel, denn es zeigt auf besonders illustrative Art, woran es seit langem krankt. Auf der Jagd nach dem schnellen Geld wechseln Urkunden eher den Besitzer. Dies ist jedoch nicht der einzige Grund, warum Dan-Grade (Schwarzgurt-Grade) heute leichtfertig verliehen werden. Das Prestige, welches mit einer solchen Graduierung einhergeht, ist landläufig hoch. Bei vielen lockeren Gesprächsrunden, welche sich um das Thema Kampfsport oder Selbstverteidigung ergeben, kann jeder sich als Schwarzgurt outen und somit fortan als „Experte“ für alle Fachfragen zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite brüsten sich Lehrer gerne mit der Anzahl der von ihnen ausgebildeten Meister, jeder gewinnt scheinbar bei diesem Spiel. Doch wo ein Spiel mit Gewinnern ist, muss einer die Zeche zahlen. In letzter Konsequenz sind es alle, doch der Reihe nach: Als erstes wäre der Schüler zu nennen, welcher von solch einem neuen „Meister“ ausgebildet wird. In Ermangelung von Technik, pädagogischem Geschick und Wissen kann nur Halbfertiges dabei herauskommen. Doch anhand des Meistergrads kann ein unbedarfter Kampfsportinteressent dies nicht ablesen und vertraut auf die Fertigkeiten seines Lehrers. Der zweite Verlierer ist der Träger der nicht verdienten Auszeichnung. Er sieht sich fortan mit einem Anspruch konfrontiert, welchem er unmöglich gerecht werden kann. Enttäuschung und böses Blut sind so vorprogrammiert, welches sich final gegen seinen Lehrer richten muss. Er ist in dieser Wirkungskette der größte Verlierer. Denn was lange genug gärt, muss irgendwann die Oberfläche des Sichtbaren durchbrechen. Hohn, Spott und Zwist sind die unabwendbare Folge der Geldgier unsportlicher Trainer und Meister.